Rollenspiele auf der Kellerbühne / Aachener Zeitung vom 05.05.2010
Das Theater Boheme feiert eine ausverkaufte Premiere von „Die Zofen”. Die Schwestern Solange und Claire erniedrigen sich dabei gegenseitig.
VON ALEXANDER BARTH / Aachener Zeitung vom 05.05.2010
Aachen. Nach vierjähriger Pause bringt das Theater Boheme nun wieder eine Produktion auf die Kellerbühne des Theater 99: „Die Zofen” feierte eine ausverkaufte Premiere. Als Jean Genets Tragödie 1947 in dessen Heimatstadt Paris uraufgeführt wurde, hatte es Empörung und Bestürzung gehagelt, das Stück verherrliche das Verbrechen. Der 1986 gestorbene Dramatiker verteidigte seine nach gesellschaftlicher Anerkennung lechzenden Protagonistinnen seinerzeit als „Ungeheuer, wie wir alle es sind”, wenn wir uns in unseren Träumen bewegen.
Äußerst herablassend
Erzählt wird eine durch Mordfälle angeregte Geschichte: Die Schwestern Solange und Claire führen den Haushalt des Popstars Pieta, die ihre Dienerschaft jedoch äußerst herablassend zu behandeln scheint. Die beiden Zofen flüchten daher bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Rollenspiele á la „Herrin und Dienerin”, in denen sie sich gegenseitig ebenso erniedrigen, wie es ihr reales Leben vormacht. Der Tod ihrer Herrin soll im Spiel, später auch in der Realität, die Folge sein.
Das Ensemble des Theater Boheme und Regisseur Andre Schülke haben dem Stoff in Spiel und Inszenierung einen aktuellen Anstrich verpasst. Der Popstar Pieta „glamourt” in etwa so, wie es ein frisch aufgegangener CastingStar tun würde. Im Hintergrund sind schemenhafte Videoproduktionen sichtbar, in denen sich Madonna und andere durch Pop-Clips schlängeln. Von der unterschwelligen Gewaltfantasie, die offenbar die Vorlage dominiert hatte, ist relativ wenig zu spüren in der Inszenierung. Vielmehr stehen die omnipräsente Hassliebe und sexuelle Spannung zwischen den Schwestern im Vordergrund. Auch die „gnädige Frau” Pieta, von Zarah Beigi verkörpert, ist wenig angsteinflößend, vielmehr – unfreiwillig? – komisch.
Die Schwestern sprechen von Produzenten und von Guantanamo, wenn es um den „Aktuellen” der Chefin geht. Der Liebhaber der mondänen, aber einfältig wirkenden Dienstherrin sitzt ein. Die Tatsache, dass er freikommt, stachelt Solange und Claire zu einem zweiten Mordversuch an, dieser misslingt jedoch. Dem freien Lauf der Tragödie steht daraufhin nichts mehr im Wege. Trotz aller freier Interpretation, eine von Genets ursprünglichen Intentionen vermag die Inszenierung definitiv zu transportieren: Die menschliche Natur lässt sich auch durch feine Umgangs- und Gesellschaftsformen nicht manipulieren.
Aufführungstermine und Ausstellung
Die Zofen von Jean Genet wird auch am 21., 22., 28. und 29. Mai im Theater 99 (Gasborn 9-11) gespielt. Eine Ausstellung mit Bildern zum Stück von Tanja Mosblech ist an Spieltagen ab 17 Uhr geöffnet.
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